Informationen für Eltern

Liebe Eltern,

auf dieser Seite finden Sie Informationen zur Vorbeugung von Kindesentführungen. Die Frage zu klären, wie realistisch und begründet die Angst vor einer Kindesentführung ist, gehört zu den schwierigsten Aspekten bei der Prävention. Angstgefühle und Befürchtungen sollte man in jedem Fall ernst nehmen und den Ursachen nachgehen. Manchmal wird Entführung ohne konkrete Gründe befürchtet. In anderen Fällen hingegen gibt es eindeutige Hinweise auf eine bevorstehende Entführung (z. B. durch den Kauf von Flugtickets) und dann muss schnell gehandelt werden. Die folgenden Informationen sind eine Zusammenstellung von Veröffentlichungen der britischen Stiftung reunite und der belgischen Organisation Child Focus.

Sollte eine Entführung gerade stattgefunden haben …

Falls Kontakt zum entführenden Elternteil besteht, empfiehlt sich beruhigendes, deeskalierendes Verhalten, denn wenn der Kontakt erst einmal abgebrochen ist, wird es immer schwieriger, eine gemeinschaftliche Lösung im Sinne der Kinder zu finden. Wenn der andere Elternteil beispielsweise gerade noch auf dem Weg zum Flughafen ist, sollte die Polizei informiert werden – ggf. auch die Flughafenpolizei. Zu beachten ist dabei, sollte bspw. die entsprechende Sorgerechtsentscheidung oder die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf den zurückbleibenden Elternteil vorliegen, mitzunehmen sind, um der Polizei die Widerrechtlichkeit des Verbringens schnell begründet werden kann – i.d.R. liegen solche Nachweise jedoch nicht vor und müssen beim Gericht erwirkt werden. Soll eine Entführung also kurzzeitig verhindert werden, kann man im Rahmen eines Eilverfahrens bei Gericht mit entsprechender Glaubhaftmachung der Eilsituation und der konkreten Entführungsgefahr eine “einstweilige Anordnung” erwirken. Inhalt dieser einstweiligen Anordnung können Ausreiseverbote, Herausgabeanordnungen und sonstige Maßnahmen zur Verhinderung einer Entführung sein. Grundsätzlich besteht in solchen Verfahren in Deutschland kein “Anwaltszwang”, sodass also jeder Betroffene direkt das Gericht anrufen kann. Mit “Anrufen” ist hierbei nicht der telefonische, sondern der schriftliche Kontakt gemeint. Auch kann man persönlich jedenfalls werktags von vormittags bis in die frühen Nachmittagsstunden, also i.d.R. bis etwa 16:00 Uhr zur Rechtsantragsstelle des Gerichtes gehen und dort einen Antrag stellen. Wegen der dort oft langen Wartezeiten empfiehlt sich aber ein schriftlicher Antrag mit möglichst genauer Begründung unter Beifügung von Mitteln der Glaubhaftmachung (Beweisen). Dieser schriftliche Antrag sollte einen optisch sehr deutlich gemachten Hinweis auf den besonderen Eilbedarf enthalten. Gerichte haben außerhalb dieser Zeiten auch zusätzliche Notdienste, die regional unterschiedlich geregelt sind. Die örtliche Polizei kann hierüber informieren, kann gegebenenfalls auch Kontakt zu dem Eildienstrichter aufbauen.

Besteht eine ausländische Sorge- oder Umgangsrechtsentscheidung, kann der betroffene Elternteil einen Antrag auf Anerkennung dieser Entscheidung beantragen. Für Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist das Familiengericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich zum Zeitpunkt der Antragstellung die Person, gegen die sich der Antrag richtet, oder das Kind, auf das sich die Entscheidung bezieht, sich gewöhnlich aufhält. Fehlen diese Voraussetzungen, ist das Familiengericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich das Interesse der Feststellung oder das Bedürfnis der Fürsorge besteht (vgl. §10 IntFamRVG).

Für den Antrag auf Rückführung des Kindes ist das Familiengericht örtlich zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich sich das Kind beim Eingang des Antrags bei der Zentralen Behörde aufgehalten hat oder, sollte diese Voraussetzung fehlen, das Bedürfnis der Fürsorge besteht (vgl. § 11 IntFamRVG). Aus dem Ausland heraus kann der Antrag beiem Amtsgericht des Ortes, in dem das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, gestellt werden, für ein Kind, das sich gewöhnlich im Bezirk dieses Oberlandesgerichtes aufhält. Von über 600 deutschen Familiengerichten sind lediglich diese 22 Amtsgerichtefür Rückführungs-, Umgangs-, Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren zuständig. Diese Gerichte verfügen über spezielle Erfahrungen in internationalen Kindschaftskonflikten. Eine Liste dieser Gerichte findet sich hier. Für die Antragstellung gilt, dass alle erforderlichen Unterlagen direkt vorzulegen sind. Anderenfalls droht Zeitverzug. Hierzu zählen zumeist die folgenden Unterlagen, die möglichst im Original oder in Kopie vorzulegen sind: Kindesgeburtsurkunde, Heiratsurkunde bzw. Vaterschaftsanerkenntnisurkunde oder entsprechende gerichtliche Entscheidung evtl. vorherige familiengerichtliche Entscheidungen betreffend elterliche Sorge/Umgang evtl. Unterlagen, die auf eine Kindesentführung hindeuten wie Briefe, E-Mails, Tickets o.ä., genaue Angaben zum jetzigen Aufenthaltsort des Kindes.

Ist die Entführung bereits erfolgt, können Sie sich an die Zentrale Behörde im Herkunfts- oder im Entführerstaat oder in jedem anderen Vertragsstaat wenden. Diese helfen Ihnen bei der Antragstellung auf Kindesrückführung beim Gericht. Jedes Land, das dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) angehört (Link zu den Vertragsstaaten), muss eine sogenannte „Zentrale Behörde“ einrichten, welche für grenzüberschreitende Kindesentführung zuständig ist. In Deutschland handelt es sich hierbei um das Bundesamt für Justiz. Die Anschriften aller Zentralen Behörden weltweit finden Sie hier. Das Verfahren zur Rückführung des Kindes wird letztlich bei den Gerichten und Behörden in dem Staat geführt, in dem das Kind sich jetzt befindet. Er wird also von der Zentralen Behörde bearbeitet, in deren Land das Kind entführt wurde. Bei einer Entführung nach Paris also die französische Zentrale Behörde, bei einer Entführung nach New York dann die US-amerikanische Zentrale Behörde. Sie können sich aber auch zunächst an die Zentrale Behörde im Herkunftsland des Kindes wenden, die dann den erforderlichen Kontakt in das Ausland vermittelt oder aber auch an jede andere Zentrale Behörde.

Je nach den nationalen Vorschriften des Landes, in dem das Kind sich jetzt aufhält, können Sie den Rückführungsantrag bei Gericht auch ohne Einschaltung der Zentralen Behörden, teils nur mit anwaltlicher Vertretung, teils auch ohne Rechtsanwalt stellen – es empfiehlt sich jedoch der Weg über die Zentralen Behörden. In jedem Fall sollten Sie möglichst Kontakt mit einem/einer Rechtsanwalt/Rechtanwältin aufnehmen, der Erfahrung in internationalen Entführungsfällen hat, um sich über den rechtlichen Rahmen und die Möglichkeiten zu informieren. Für Empfehlungen können Sie sich gern an uns wenden.

Prävention und erste Schritte

Sprechen Sie miteinander, um die Ängste abzuklären und (wieder) ins Gespräch zu kommen

Sollten Sie befürchten, dass es zu einer Entführung kommt, empfehlen wir Ihnen, zu überlegen und sich darüber zu informieren, ob eine Mediation – das heißt ein gemeinsames Gespräch mit einem/zwei neutralen Dritten – Sie dabei unterstützt, die Ängste auszuräumen bzw. diese mit Ihrem Partner zu besprechen. Mediation kann in vielen Fällen eine gute Vorbeugungsmaßnahme darstellen: Befürchtungen können angesprochen werden, es können verbindliche Vereinbarungen getroffen werden und Vertrauen kann durch professionelle Hilfe und eventuelle Sicherungsmaßnahmen wiedergewonnen werden.

Was Sie tun können, um einer Entführung vorzubeugen …

Um eine Kindesentführung vorzubeugen, können Eltern bereits zum Zeitpunkt der Trennung freiwillige Vereinbarungen über das Sorgerecht und Umgangsmodalitäten treffen. Diese Vereinbarungen könnten z.B. im Rahmen einer Mediation erarbeitet und abgeschlossen werden. Hierbei gilt, je eher die Eltern miteinander ins Gespräch kommen, desto wahrscheinlicher ist ein erfolgreicher Abschluss einer Vereinbarung. Ist es jedoch bereits zu einer Entführung gekommen, sollte man keine überstürzten gerichtlichen Schritte einleiten, denn – gerade strafrechtliche – Verfahren dieser Art verschärfen die Situation meist mehr, als dass sie entlastend wirken. Sinnvoller wäre es hier zumeist, sich jedenfalls zunächst beraten zu lassen. Hierfür stehen in Deutschland neben den örtlichen Jugendämtern folgende spezialisierte Beratungsstellen zur Verfügung:

MiKK e.V.: http://www.mikk-ev.org

Verband binationaler Familien und Partnerschaften: http://www.verband-binationaler.de/

Internationaler Sozialdienst: http://www.issger.de/

Eine Beteiligung des Rechtssystems als Reaktion auf die Angst vor einer Entführung kann teilweise eine destabilisierende Wirkung haben. Wird einem Elternteil das Umgangsrecht eingeschränkt, nur weil der andere eine Entführung befürchtet, wird es schwierig sein, sich auf künftige Umgangsregelungen zu einigen. Dieser Elternteil wird die gerichtliche Entscheidung wahrscheinlich nicht akzeptieren, sondern den gerichtlichen Instanzenzug ausschöpfen. Im schlimmsten Fall entsteht durch eine solche Gerichtsentscheidung erst die Idee zur Entführung der Kinder. Sollte eine realistische Gefahr zur Entführung bestehen, kann ein Elternteil bei Gericht Maßnahmen zur Vorbeugung beantragen (Pass hinterlegen, Ausreisesperre oder ein Gerichtsbeschluss, der dem anderen Elternteil verbietet, ohne explizite Zustimmung mit dem Kind das Land zu verlassen). Es ist ratsam, diese Gerichtsentscheidung, wenn das Gericht dies nicht bereits selber veranlasst, derjenigen Behörde zukommen zu lassen, die Reisedokumente ausstellt und bei mehrfacher Staatsangehörigkeit auch der jeweiligen Botschaft, mit der Bitte um Weiterleitung an die übrigen konsularischen Vertretungen dieses Staates im Land. Hierbei ist zu beachten, dass deutsche Gerichte die Botschaften, insbesondere bezüglich ihrer Passhoheit, nicht zu etwas verpflichten können. Des Weiteren sollte die nähere Umgebung des Kindes informiert werden (Schule, Kindergarten, Familie, Nachbarn) und an die Betreuungseinrichtungen eine Kopie der Gerichtsentscheidung zugesandt werden. Eine Garantie bietet all dies jedoch nicht. Auch hier empfiehlt es sich, Gespräche zu führen und mit dem anderen Elternteil einen gemeinsamen Plan für die Zukunft zu entwerfen. Sie können sich dabei beispielsweise auf folgende Regelung einigen: Wenn das Kind beim Vater ist, sind seine Dokumente bei der Mutter und umgekehrt oder bei einer neutralen Person. Das kann durch eine Vereinbarung festgelegt sein oder aber auch durch einen Gerichtsbeschluss. Das ist besonders sinnvoll, wenn eine Ausreise eines Nicht-EU-Staatsangehörigen aus dem Schengenraum befürchtet wird. Innerhalb des Schengenraums werden Dokumente in der Regel nicht kontrolliert. Falls noch kein Reisepass für das Kind ausgestellt worden ist, kann derjenige Elternteil, der eine Entführung fürchtet, bei Gericht eine einstweilige Anordnung beantragen. Wird diesem Antrag stattgegeben, wird dem anderen Elternteil die Ausstellung eines Reisepasses (für Kinder ab 12 Jahre) oder eines Kinderreisepasses (für Kinder bis zum 12. Lebensjahr) durch einen Vermerk in der Pass- und Ausweisstelle verweigert (Passversagungsgründe). Wir empfehlen hier, sollte Eile geboten sein, über einen Rechtsanwalt und das Gericht vorzugehen. Es ist aber auch möglich, bei bereits ausgestelltem Reisepass bzw. Kinderreisepass diesen sicher aufzubewahren. Letztendlich benötigt diesen jedes Kind, um – zumindest außerhalb des Schengenraumes – zu verreisen. Hierbei ist jedoch immer zu beachten, dass ein Kind mit doppelter oder mehrfacher Staatsangehörigkeit auch mehrere Pässe besitzen kann bzw. im Pass des anderen Elternteiles eingetragen sein kann. Generell sollte man immer aktuelle Passbilder des Kindes aufbewahren, um diese an Behörden aushändigen zu können. Alternativ kann durch Gerichtsbeschluss bewirkt werden, dass der andere Elternteil den Reisepass des Kindes herausgeben muss, notfalls mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers. Für den Fall, dass ein Elternteil zu einem Familienbesuch oder Urlaub verreist und der andere eine Entführung befürchtet, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Rückkehr zu garantieren: einen bestimmten Betrag auf einem Geldkonto einfrieren, oder einen Gegenstand zur Sicherheit hinterlegen. Es ist auch hilfreich, die Tatsache, dass es sich nur um eine Urlaubsreise handelt und den genauen Zeitpunkt der Rückkehr gemeinsam schriftlich festzulegen. Es kann überlegt werden, eine mirror order zu erwirken, also seine spiegelbildliche Entscheidung im anderen Staat, die sicherstellt, dass die im Herkunftsstaat geltende Rechtssituation ebenso im anderen Staat gilt.

Gründe für eine Entführung

Es ist wichtig, die Frage zu klären, ob die Angst auf objektiven Gründen basiert oder auf andere Weise entstanden ist: Zum Beispiel durch Freunde, Verwandte, Medien, o.ä. In manchen Fällen ist die Furcht begründet, in anderen nicht. Es besteht ein erhöhtes Risiko, wenn ein Partner des Öfteren den Wunsch ausspricht, in sein Heimatland zurückzukehren. Wenn zu diesem Heimweh eine Krise in der Beziehung oder eine Trennung bzw. Scheidung hinzukommt, ist die Gefahr auch höher. Auch mangelnde Integration oder soziale Isolierung können den Wunsch nach Rückkehr verstärken. Beginnt ein Partner eine neue Beziehung, insbesondere auch in einem anderen Staat, kann das unter Umständen zu einer Entführung führen, besonders wenn das Kind bei diesem Elternteil lebt. Die Forschung hat gezeigt, dass auch negative Erfahrungen, die Eltern mit Gerichten gemacht haben, zu einer Entführung führen können, um einer Entscheidung des Gerichts über das Sorge- oder Umgangsrecht zuvorzukommen. Auch Frustration und Unzufriedenheit mit einer Umgangsregelung kann zu einer Entführung führen. Das Ende einer Beziehung bedeutet teilweise auch den Verlust der Aufenthaltsgenehmigung im jeweiligen Land. Beziehungsprobleme können einen kulturellen Hintergrund haben. Wenn z.B. ein Elternteil eine bi-kulturelle Erziehung ablehnt oder wenn in dieser Frage generelle Uneinigkeit besteht. Weitere Gründe: Arbeitslosigkeit, Unkenntnis der Sprache des Landes des Aufenthalts, keine Freunde, kulturelle Vorurteile, Rache als starkes Motiv für Kindesentführung, Gewalt über lange Zeit, ein Elternteil entführt, um einer Entführung durch den anderen vorzubeugen oder die Situation nach einer Entführung durch eine zweite Entführung eigenmächtig in die Hand zu nehmen.

Wenn Kinder in ein anderes Land ziehen, fürchten Großeltern oder andere nahe Bezugspersonen des Kindes den Kontakt zu verlieren. Deshalb werden sie versuchen Entscheidungen der Eltern zu beeinflussen. Das kann den elterlichen Konflikt noch erhöhen. Das Risiko ist erhöht, wenn die Großfamilie die Beziehung nie akzeptiert hat und daher wenig Kontakt besteht. Wenn es zu einem Konflikt in der Beziehung kommt, können die alten Warnungen wieder an die Oberfläche kommen und auf diese Weise den Konflikt intensivieren. Plötzlicher Tod oder ernsthafte Erkrankung eines Großelternteils in dem anderen Land kann dazu veranlassen zurückzukehren. In einigen Fällen versucht der entführende Elternteil den Gerichten des Landes des Aufenthaltes zu entkommen, indem er in ein anderes Land zieht. Die Angst vor Entführung wird oft von Familienmitgliedern noch geschürt. Zu oft wird angenommen, dass der Entführer ein männlicher Moslem ist – die Erfahrungen zeigen jedoch, dass es überwiegend die hauptbetreuenden Mütter sind, die nach einer Trennung mit den Kindern in ihr Heimatland zurückkehren. Es gilt also – wie so oft – den Einzelfall genau zu prüfen.

Manchmal gibt es keine direkten Gründe und die Argumente sind wahrscheinlich unbegründet. Es ist aber trotzdem nicht ratsam, die Bedenken ganz beiseite zu schieben. Fragen dieser Art und Unklarheiten in der Beziehung können im Mediationsprozess auf den Punkt gebracht oder ganz aufgelöst werden: bei Interesse und Informationsbedarf wenden Sie sich gern an uns: 0049 (0)30 74 78 78 79 oder per E-Mail: info@mikk-ev.org. Hier finden Sie weitere Informationen der Haager Konferenz sowie den Leitfaden für eine angemessene Vorgehensweise nach der Haager Konferenz.

Auf diesen Seiten finden Sie weitere Informationen auf Englisch und Französisch: www.reunite.org

www.childfocus.be

www.kinderontvoering.org